Der Tafelkirschenanbau und seine Probleme in den letzten Jahren waren zentrale Themen auf dem Markgräfler Steinobsttag in Blansingen. Auf dem Fortbildungstag des Landratsamtes und des Arbeitskreises Erwerbsobstbau Lörrach ging es um die Frage, wie regional erzeugten Steinobstprodukte auch in Zukunft auf dem Markt bestehen können.

Lorenz Boll, Geschäftsführer der Erzeugergenossenschaft Südbaden, berichtete von einem guten Ertragsjahr 2018, welches aber von großen Absatzproblemen bei den meisten Obstarten geprägt war. Der sehr frühe Erntebeginn ließ alle Saisonobstarten, vor allem aber die Erdbeeren und die Tafelkirschen mit Ware aus Südeuropa und der Türkei konkurrieren. Trotz aller Lippenbekenntnisse für regionale Produkte haben die Konzerne des Lebensmitteleinzelhandels heimische Ware zunächst gar nicht, dann nur zögerlich aufgenommen.

Begünstigt von der Hitze, der Trockenheit und der Kürze der Erntephasen kam es zu kleineren Fruchtgrößen und häufigen Reklamationen aufgrund der Qualität. Beanstandungsgründe waren unter anderem braune Stiele, matte Früchte und Fruchtschäden durch Sonnenbrand.

Die Probleme waren aber keine regionale Erscheinung, sondern traten in ganz Deutschland auf. Darauf wies Hubert Schneider, Anbauberater des Großmarkes Südbaden hin. Die extreme Witterung und das für die Bauern ungünstige Verhältnis von Angebot und Nachfrage habe sie außerdem begünstigt.

Dennoch haben die Obstbauern gewisse Spielräume, um auch in solchen schwierigen Jahren mit guten Qualitäten am Markt bestehen zu können. Langfristig hänge es auch von der Nutzung dieser Möglichkeiten ab, ob sich der Südbadische Steinobstanbau gegen andere Obstanbaugebiete der Welt am Markt behaupten kann.

Das Qualitäts- und Vermarktungsproblem beginne bereits bei Sortiment, so Schneider. Etwa 45 verschiedene Kirschensorten werden zur Zeit beim EGRO Südbaden als Tafelkirschen angeliefert. Viele Obstbauern wissen noch nicht mal, welche Sorten sie haben. Hier braucht es in Zukunft mehr Klarheit und eine Sortimentsbereinigung, damit der Großmarkt Partien aus einheitlichen, qualitativ hochwertigen Sorten anbieten kann.

Kirschen mit Fruchtgrößen unter 26 mm haben für den Lebensmittelhandel keine Zukunft mehr und werden bereits heute deutlich schlechter ausgezahlt. Größere Früchte können nur durch entsprechende Sorten und eine optimierte Kulturführung erreicht werden. Die Preisstaffelungen zwischen den Größen 26-28 mm, 28-30 mm und 30-32 mm sind jedoch nicht mehr so ausgeprägt wie früher. Der Markt hat sich an Ware dieser Größenordnung gewöhnt.

Die größten Potentiale an Qualitätsverbesserung sieht Scheider in den Bereichen Ausdünnung, Kühlkette und Handhabung. Bei sehr produktiven Sorten oder kompakt fruchtenden Sorten muss in starken Behangsjahren wie 2018 über Fruchtausdünnung nachgedacht werden. Ähnlich wie bei Zwetschgen kann dadurch Größe, Gesundheit und Qualität der Früchte erheblich verbessert werden. Als Möglichkeiten kommen zur Zeit nur Behandlungen mit ATS in die Blüte und – mit Einschränkungen – die Fadenmaschine infrage.

Von entscheidender Bedeutung für die Fruchtqualität ist der Weg vom Baum in die Kühlung. Dieser Weg sei in Südbaden – im Vergleich mit anderen Anbaugebieten – oft noch zu weit beziehungsweise zu lange dauernd. Ideal an Hitzetagen ist die Ernte in den kühlen Morgenstunden. Das Erntegut sollte auf dem Feld gegen die Sonne abgedeckt werden und der Transport ins Kühllager möglichst schnell geschehen. Anschaulich zeigte Schneider, wie im Versuch Stiele von Kirschen nach 8 Stunden Aufbewahrung bei mäßigen Temperaturen von 22 ° und bei 65 % Luftfeuchte bereits 70 % ihres Gewichtes verlieren.

Auch die Ernte, die maschinelle Sortierung und die Verpackung muss in Zukunft kritischer betrachtet und optimiert werden. Nur so können Beschädigungen der Früchte weitgehend vermieden werden. So kann zum Beispiel bereits das Glattstreichen der Füllung eines Erntebehälters mit der flachen Hand zu Quetschungen der Früchte mit nachfolgender Fäulnis führen.

Mit dem Kirschensortiment der Zukunft beschäftigt sich das Steinobstzentrum Breitenhof der schweizerischen Agroscope Changins-Wädenswil (ACW). Weitere Forschungsschwerpunkte sind die Pseudomonas-Prävention, die Testung neuer Steinobst-Unterlagen, der Bio-Anbau von Zwetschgen, die Anbautechnik und die Sortenerhaltung im Steinobst. Der Versuchsbetrieb befindet sich im Kanton Baselland nur wenige Kilometer von der deutschen Grenze auf rund 550 m Höhe. Von den Ergebnissen der Sichtung neuer Kirschensorten berichtete Betriebsleiter Thomas Schwizer.

Auch in der Schweiz sei der Tafelkirschenanbau in den letzten Jahren stark ausgedehnt worden. Trotz meist guter Qualitäten sei die Vermarktung der hiesigen Ware deswegen kein Selbstläufer mehr, erklärte Schwizer. Da ein großer Teil der eidgenössischen Tafelkirschenproduzenten ihre Anlagen überdacht haben, arbeite man im Versuchsbetrieb teilweise mit und teilweise ohne Überdachung.

Die sehr hohen Investitionskosten für Tafelkirschen mit Überdachung erfordern eine sehr sorgfältige Sortenwahl. Allein wegen der verschieden Reifezeiten bei Kirschen über bis zu 8 Kirschwochen brauche der Erwerbsobstbau eine breites und ermöglichst erprobtes Sortiment, so Schwizer.

Zudem habe die Kirschessigfliege neue Anforderungen an Kirschensorten gebracht: Die Fruchtreife darf nicht zu lange dauern und sollte möglichst kompakt sein. Als wichtige witterungsbedingte Anbaurisiken nannte Schwizer die Blütezeit und damit das Frostrisiko und das Aufplatzen der Früchte bei Regen. Gegen diese Risiken haben die Sorten sehr unterschiedliches Potential.

Ideal sei die kontinuierliche Belieferung des Marktes mit unterschiedlichen, aber für den Markt gleichermaßen geeigneten Sorten über die ganze Saison.

Zu den Favoriten im frühen Reifebereich gehören die italienischen Sorten ‚Sweet Marysa‘ und ‚Sweet Lorenz‘. ‚Sweet Marysa‘ reift kurz vor ‚Bellise‘, ‚Lorenz‘ kurz danach. Beide Sorten haben eine gute Fruchtgröße, einen sehr guten Geschmack und eine gute Fruchtqualität. Auch die US-Sorte ‚Royal Bailey‘ fruchtet noch vor ‚Bellise‘ wird wegen ihrer sehr guten Fruchtqualität als aussichtsreich empfohlen. Über die Platzfestigkeit der drei neuen Frühsorten gibt es noch keine gesicherten Aussagen.

Im mittelfrühen Reifebereich mit ‚Grace Star‘ überzeugt die bereits eingeführte französische Sorte ‚Folfer‘ durch gute Fruchteigenschaften, wegen ihrer Platz- und Moniliaanfälligkeit ist sie nur für den regengeschützen Anbau zu empfehlen.

Im Reifebereich zwischen ‚Grace Star‘ und ‚Kordia‘ nennt Schwizer die Sorten ‚Fertile‘ und ‚Christiana‘. Die französische ‚Fertile‘ besticht durch hohen Ertrag und sehr gute Fruchtqualitäten. Nachteilig sind die Neigung zum Platzen und die Schwachwüchsigkeit des Baumes, die aber durch stärkere Unterlagen ausgeglichen werden kann. ‚Christiana‘ ist ein sicherer Massenträger mit geringer bis mittlere Platzanfälligkeit, guter optischer Erscheinung der Früchte und mittlerem Geschmack. Vorteilhaft ist die gute Gesundheit des Baumes. Auch diese Sorte wächst schwach und sollte deswegen auf einer etwas stärkeren Unterlage stehen. Für schwachwachsende Unterlagen gut geeignet sieht Schwizer die US-Sorte ‚Benton‘. Benton reift kurz vor ‚Kordia‘ und hat ebenfalls sehr gute Fruchteigenschaften

Nicht ganz neu ist die kanadische Sorte ‚Satin‘. Sie erweist sich als sehr platzfest, aber leider auch Pseudomonas-anfällig. Die Früchte sind attraktiv und von sehr guter Qualität. Sie reifen kurz vor und mit ‚Kordia‘. Für den Anbauer interessant ist der gut verzweigte und problemlose Baum. Ebenfalls mit ‚Kordia‘ reift sie amerikanische Sorte Summer Sun‘. Diese zeichnet sich durch eine sehr hohe Fruchtbarkeit und gute Fruchtqualitäten aus. Wegen ihres Fruchtverhaltens gehöre diese Sorte ebenfalls auf eine stärkere Unterlage, so der Betriebsleiter.

Einen Platz als ideale ‚Befruchtersorte‘ zu Regina hätte die neue tschechische Sorte ‚Irena‘. Sowohl die Früchte als auch der Baum sind Regina sehr ähnlich.