Nachruf auf Max Neidhart

Am 20. April ist Max Neidhart, Obstbauamtsrat und ehemaliger Fachberater im Landkreis Lörrach, verstorben. In seinem Haus in Lörrach erreichte er das hohe Alter von 93 Jahren.

Im Landkreis Lörrach, aber auch weit über die Landkreisgrenzen hinaus ist Max Neidhart vor allem den älteren Obstbauern immer noch wohl bekannt und bis zuletzt ein kompetenter Ansprechpartner gewesen. Am Ende seiner beruflichen Laufbahn erhielt Neidhart das Bundesverdienstkreuz aus den Händen von Minister Weiser, MdL. Als Ehrenmitglied und Beisitzer arbeitete er bis 2013 im Kreisobst- und Gartenbauverband Lörrach im Vorstand mit.

In der Zeit des Wiederaufbaues nach dem Krieg und des Aufschwunges der Landwirtschaft übernahm Neidhart im Jahr 1962 die damals eigenständige Obstbauberatungsstelle des Kreises Lörrach. Dort war er bis 1989 als Obstbauberater tätig und leitete ein kleines Team an Mitarbeitern. Zu dieser Zeit bestand der Obstbau fast ausschließlich aus der Bewirtschaftung großkroniger Bäume. Es gab bereits viele Orts- und Bezirksobstbauvereine, die sich vor allem mit der Vermehrung der Bäume und dem Baumschnitt beschäftigten.

Mit steigender Nachfrage und neuen, attraktiveren Sorten interessierten sich immer mehr Menschen für den Obstbau und entwickelten ihn zu einem wirtschaftlichen Standbein. Neidhart erkannte die Zeichen der Zeit und gründete im Jahr 1964 mit 51 ambitionierten Obstbauern die „Erwerbsobstgruppe Lörrach“. Im gleichen Jahr gründete sich in Südbaden die „Obstregion Süd“, deren Geschäftsführer er wurde. Sie reichte von Emmendingen über Freiburg und Lörrach bis nach Bad Säckingen und besteht noch heute. Damit wurde er Vertreter der südbadischen Obstbauern im ebenfalls neu gegründeten Landesverband Erwerbsobstbau und auch Vertreter des Baden-Württembergischen Obstbaus in der bundesweit tätigen Fachgruppe Obstbau.

Kurze Zeit später, 1968, fasste er die Bezirksobstbauvereine mit 26 Ortsvereinen im Kreis Lörrach zum Kreisobst- und Gartenbauverband Lörrach zusammen, der ebenfalls bis heute existiert. Hier arbeitete er seit der Gründung bis 1989 als Geschäftsführer. 1990 wurde er von seinem Nachfolger, Fachberater Martin Linemann abgelöst.

Max Neidharts Herz schlug für die Professionalisierung des Obstbaues. Dabei arbeitete er immer eng mit den Praktikern in den Obst- und Gartenbauvereinen zusammen. Sein Berufseinstieg fiel in die Zeit des staatlichen „Generalobstbauplanes 1957-1974“. In dieser Zeit wurden im Rahmen von Flurbereinigungen Anbaugebiete festgelegt und mehrere Erzeugergenossenschaften gegründet. In 17 Dörfern wurden Gemeinschaftsobstanlagen eingerichtet. Hier hatten Landwirte und Nebenerwerbler die Chance in den neuen und interessanten Wirtschaftszweig Intensivobstanbau einzusteigen. Dabei wurde die Pflege, der Pflanzenschutz – vor allem die Bekämpfung der Kirschfruchtfliege – und die Vermarktung zu großen Teilen gemeinschaftlich organisiert.

Im Bereich Kernobst pflanzte man erfolgreich Intensivobstanlagen mit den damals neuen schwachwachsenden Unterlagen, was diesen Kulturen einen enormen Aufschwung bescherte. Neidhart sah das Potential der neuen Anbauform und begann als einer der Pioniere in Deutschland mit Bäumen auf schwächer wachsenden Steinobstunterlagen zu experimentieren. In der kreiseigenen Versuchsanlage Istein standen Kirschbäume auf schwach wachsenden Unterlagen aus der hessischen und Weihenstephaner Züchtung, sowie auf Sauerkirschenunterlagen zur Testung.

Der Obstbauamtsrat begleitete viele Sortenprüfungen und erkannte das Problem des Aufreißens der Kirschen bei steigender Fruchtgröße. In Istein baute Neidharts Team 1982 erste Kirschenüberdachungen mit Folien. Sie waren vermutlich mit die ersten dieser Art weltweit.

Neidharts Visionen von intensiv bewirtschafteten Tafelkirschenanlagen auf kleinen Bäumen wurden erst mehr als 10 Jahre nach seiner aktiven Zeit in großem Umfang in die Obstbau-Praxis umgesetzt – mit den neuen GiSelA-Unterlagen und professionellen Überdachungs- und Bewässerungsanlagen.

Eine weitere große Aufgabe war für Max Neidhart die Modernisierung des Brennkirschenanbaues. Schon damals deckten die Erlöse nicht mehr die Ausgaben für die aufwändige händische Kirschenernte von den großen Bäumen. Das Schütteln zunächst einzelner Äste und später ganzer Bäume wurde entdeckt. Neidhart testete viele Süßkirschensorten auf ihre Schüttelfähigkeit und Eignung für die Brennerei und sonstige Verarbeitung. Bereits 1665 und 66 ließ er bei Schopfheim eine große Sortensichtungsanlage pflanzen.

Mit der erfolgreichen Auslese schüttelfähiger und leistungsstarker Sorten erlebte der Brenn- und zunehmend auch der Industriekirschenanbau einen Aufschwung. Überall im Land entstanden intensive Süßkirschenanlagen mit etwa 6-8 Meter hohen Bäumen, meist in der Formation 8 x 8 oder 8 x 6 Meter. Noch heute ist Südbaden neben Mittelbaden das zweitgrößte Anbaugebiet für Brenn und Industriekirschen. Im Jahr 1977 setzte sich Neidhart gemeinsam mit der Brennerei Schladerer für die Anerkennung der geschützten Herkunft „Schwarzwälder Kirschwasser“ in ganz Europa erfolgreich ein.

Aber auch andere Aufgaben gehörten zum Alltag des Fachberaters: Dazu gehörte die Ausbildung von mehreren 100 Baumwarten und die Organisation und Begleitung zahlreicher Lehrfahrten in andere Obstbaugebiete im In und Ausland. Einer der Höhepunkte war sich die legendäre Fahrt in den Kanton Solothurn mit 208 Teilnehmern in 5 Bussen. Dort gründete sich spontan der Chor die „Kirschensänger“, in dem Max Neidhart viele Jahr mit sang. Jeweils zum Familienabend des Kreisobst- und Gartenbauverbandes trat der Chor unter der Leitung von Walter Stöcklin auf. Auch für den Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ engagierte sich Neidhart und begleitete Raich bis zur Goldmedaille.

Bild: Beate Neidhart