Der Landtag wolle beschließen:

1. Der Landtag bekennt sich zum flächendeckenden Erhalt der heimischen Landwirtschaft. Die Landesregierung wird aufgefordert, bestehende Förderprogramme dahingehend weiterzuentwickeln, dass landwirtschaftliche Betriebe aller Wirtschaftsweisen noch besser ihre Leistungen für Artenvielfalt erbringen können. Dazu ist insbesondere der kooperative Natur- und Artenschutz auszubauen und es sind Anreize zu schaffen, die dazu geeignet sind, die Artenvielfalt zu fördern und den Familienbetrieben eine nachhaltige Perspektive zu bieten.

2. Die Landesregierung wird aufgefordert, den Ursachen des Artenrückgangs in seiner Vielfalt zu begegnen. Neben der Landwirtschaft müssen alle weiteren Verursacher auch ihren Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten. Hierzu muss die Landesregierung geeignete Maßnahmen und Anreize für Wirtschaft und Zivilgesellschaft entwickeln und anbieten.

3. Die Landesregierung wird aufgefordert, anstelle eines erweiterten Verbots des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, eine fachlich fundierte und wirkungsvolle
Pflanzenschutzmittelreduktionsstrategie zu forcieren und damit auch in Landschaftsschutz- und Natura 2000-Gebieten zukünftig die Erzeugung regionaler Lebensmittel und den Erhalt der
Kulturlandschaft zu ermöglichen.

4. Die Landesregierung wird aufgefordert, in den Forschungseinrichtungen des Landes die Ursachen des Artenschwundes und geeignete Gegenmaßnahmen umfassend zu untersuchen und die Ergebnisse zentral auswerten zu lassen. Darüber hinaus sind Forschungs- und Förderprogramme zum alternativen und integrierten Pflanzenschutz aufzulegen, um den Einsatz moderner Technologien auch in kleineren Agrarstrukturen zu ermöglichen.

5. Die Landesregierung wird aufgefordert, nach dem Motto „Schützen durch Nützen“ hinsichtlich Streuobstwiesen auf die Einführung eines formellen Biotopschutzes zu verzichten und stattdessen die Förderung der Pflege und des Erhalts zu verbessern.

6. Die Landesregierung wird aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um den durchschnittlichen täglichen Flächenverbrauch im Land schrittweise auf die in der Nachhaltigkeitsstrategie vorgesehenen Ziele zu reduzieren.

7. Die Landesregierung wird aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um den Ökosektor im Land nachfrageorientiert weiter zu fördern und auszubauen.

8. Die Landesregierung wird aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um im Bildungswesen die Bedeutung regionaler Ernährung und Biodiversität zu vermitteln.

9. Die Landesregierung wird aufgefordert, einen Kulturlandschaftsrat zum Erhalt von Landwirtschaft und Artenvielfalt einzurichten, der die verschiedenen Interessen aus Umweltschutz, Landnutzung,
Wirtschaft und Handel sowie die Erkenntnisse aus der Forschung bündelt und voranbringt.

10. Die Landesregierung wird aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass auch der Handel seiner besonderen Verantwortung im Sinne des Artenschutzes und einer nachhaltigen heimischen
Landwirtschaft gerecht wird.

Begründung des Volksantrages „Gemeinsam unsere Umwelt schützen in Baden-Württemberg“:

A. Allgemeiner Teil:

Die landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg haben unsere einzigartige, vielfältige Kulturlandschaft entscheidend geprägt. Daher empfinden die Bauernfamilien eine besondere
Verantwortung, diese Landschaft mit ihrer Artenvielfalt zu erhalten und die Bevölkerung mit hochwertigen, regionalen Lebensmitteln zu versorgen.

Ein Rückgang der Biodiversität hat vielfältige Ursachen. Bedeutend sind bspw. die Veränderungen des Klimas, der Lebensraumverlust durch Flächenversiegelung, der stark zunehmende Verkehr, naturferne Gärten aber auch die Produktion von Lebensmitteln durch die Landwirtschaft. Somit ist der Schutz der Artenvielfalt eine gemeinschaftliche Aufgabe, bei der alle, die Politik, die Wirtschaft und der Verbraucher, gemeinsam an einem Strang ziehen müssen. Dabei müssen die Konsequenzen von gesetzlichen Vorgaben zu Ende gedacht werden. Eine unüberlegte Verschärfung der Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft würde den meist familiengeführten Betrieben hierzulande die Perspektiven rauben, da sie mit Lebensmitteln aus Ländern konkurrieren müssten, welche unter teilweise inakzeptablen Umwelt- und Sozialstandards hergestellt werden. Die Bürger wollen regional erzeugte Lebensmittel aus Baden-Württemberg und den Erhalt bäuerlicher
Familienbetriebe im Land.

Die Initiatoren des Volksantrages „Gemeinsam unsere Umwelt schützen in Baden-Württemberg“ und die sich daran beteiligenden Bürgerinnen und Bürger fordern den Landtag nach Artikel 59 Absatz 2 Landesverfassung auf, für den Erhalt unserer über Jahrhunderte gewachsenen Kulturlandschaft als herausragender Wert für den Einzelnen wie die Gemeinschaft einzutreten und für die gesellschaftliche Anerkennung der Leistungen der Landwirte dafür zu werben.

B. Einzelbegründung:

Zu 1.
Das Modell Baden-Württemberg – Kooperation statt Verbote
Die Landwirtschaft trägt als Gestalter der Kulturlandschaft eine Mitverantwortung für die Artenvielfalt. Sie hat ein elementares Interesse an deren Erhalt und Förderung, auch als Grundlage der landwirtschaftlichen Produktion. Ein Rückgang an Biodiversität gefährdet die regionale Produktion von Lebensmitteln in Baden-Württemberg. Die Vielfalt unserer bäuerlichen Familienbetriebe muss erhalten werden. Die vorbildliche Förderpolitik des Landes darf deshalb nicht durch ordnungspolitische Vorgaben in Frage gestellt werden. Die seit Jahren kontinuierlich steigende Bereitschaft der Landwirtschaft, freiwillige Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen umzusetzen, belegen den Erfolg des kooperativen Umweltschutzes als zentrales Element einer Biodiversitätsstrategie. Dazu ist das vertragliche Angebot zielgerichteter Natur- und Artenschutzmaßnahmen für die Landwirtschaft weiter auszubauen (FAKT, LPR), z.B. durch produktionsintegrierte Artenschutz-Maßnahmen oder die Bindung von CO2 durch zusätzlichen Humusaufbau im Boden.

Zu 2.
Landwirtschaft und Gesellschaft – Gemeinsam an einem Strang ziehen
Wissenschaftlicher Konsens ist, dass die Ursachen für den Insektenschwund und den Artenrückgang vielfältig sind und nicht allein die Landwirtschaft dafür die Verantwortung trägt. Neben der
Landwirtschaft müssen alle weiteren Verursacher auch ihren Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten. Deshalb ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Biodiversität zu erhalten und zu fördern. Hierzu soll die Landesregierung geeignete Maßnahmen für alle betroffenen Akteure in Wirtschaft und Zivilgesellschaft entwickeln und anbieten. Die Landesregierung soll den Bürgern, Kommunen und Unternehmen Anreize zur Verfügung stellen, zum Beispiel für die Schaffung und Pflege von Lebensräumen, Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und für klima- und umweltbewusstes Handeln. Im Bereich des Pflanzenschutzes in Kleingärten oder der Anlage von Schottergärten und Vogelschutz an Gebäuden liegen hierzu beispielsweise Handlungsfelder für Verbesserungen.

Zu 3.
Pflanzenschutzreduktionsstrategie statt pauschaler Verbote
Die Landesregierung soll Anreize zur Teilnahme an Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen weiter ausbauen. Dabei müssen insbesondere Fördermaßnahmen, die zu einer Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln beitragen können, entwickelt und angeboten werden. Die erfolgreiche Kooperation zwischen Naturschutz und Landwirtschaft dient der Artenvielfalt, erhält unsere Kulturlandschaft und sichert die Lebensmittelerzeugung durch Familienbetriebe im Land. Ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln u. a. in Landschaftsschutzgebieten und Natura 2000-Flächen würde dagegen die Existenz betroffener Betriebe gefährden. Die im Naturschutzgesetz Baden-Württemberg vorgesehene Ausnahmeregelung würde diese Existenzgefährdung aufgrund fehlender Umsetzbarkeit nicht beseitigen. Anstelle eines solchen Verbots plädiert die Landwirtschaft für eine wirksame Pflanzenschutzmittelreduktionsstrategie. Betriebe mit Bewirtschaftungsflächen in Schutzgebieten müssen durch verstärkte Beratungsangebote und Fördermaßnahmen dabei unterstützt werden.

Zu 4.
Forschung – Wissen, das Richtige tun
Die Ursachen und Faktoren, welche sich auf die Artenvielfalt auswirken, sind zahlreich und wirken untereinander in komplexer Art und Weise zusammen. Sie berühren eine Vielzahl von esellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bereichen. Diese gilt es zu erforschen, um nachhaltige Ansätze zum Erhalt und zur Förderung der Artenvielfalt in Baden-Württemberg zu entwickeln. Unabdingbar ist auch ein laufendes Monitoring der Artenvielfalt in Baden-Württemberg. Nur auf der Basis einer flächendeckenden Bestandsanalyse können zielführende Maßnahmen entwickelt werden.
Die konventionelle und die ökologische Landwirtschaft bekennen sich zum landwirtschaftlichen Pflanzenschutz, da er eine tragende Säule zum Erhalt unserer Lebensmittelerzeugung und Kulturlandschaft ist. Strategien zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln müssen gewährleisten, dass die heimische Landwirtschaft weiterhin marktfähige Lebensmittel erzeugen kann. Die Forschung kann aufzeigen, wie Pflanzenschutz, Insektenschutz und umweltschonende Produktion immer besser vereint werden können.

Die Landwirtschaft befürwortet wissenschaftlich getragene Strategien zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln. Der je nach Schädlingsdruck oder Wetterlage notwendige Schutz der Pflanzen für die Erzeugung sicherer und hochwertiger Lebensmittel muss dabei stets gewährleistet bleiben. Die Landesregierung wird aufgefordert, Forschungs- und Förderprogramme aufzulegen, sodass praxisorientierte Reduktionsstrategien entwickelt und umgesetzt werden können. Dabei bietet die Kombination von zielgenauer Ausbring- und digitaler Technik großes Potential zur Optimierung einer gezielten und bedarfsgerechten Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln. Optimierungspotential besteht auch bei der Weiterentwicklung und Verbesserung von Prognosemodellen. Den landwirtschaftlichen Betrieben im Land müssen solche moderne Technologien und eine leistungsfähige Infrastruktur (z.B. Datennetz im 5G-Standard) flächendeckend zur Verfügung gestellt werden. Eine erfolgreiche Pflanzenschutzmittelreduktionsstrategie muss vom Land durch eine wirkungsvolle Investitionsförderung für moderne Pflanzenschutztechniken unterstützt werden.

Zur besseren Verbreitung soll das Land das Netz von Demonstrationsbetrieben mit integriertem Pflanzenschutz ausbauen. Ein Netz von Pilotbetrieben muss vom Land sofort mit modernster Technik ausgerüstet werden. Durch eine intensive amtliche Beratung muss mit solchen Best-Practice Betrieben das Optimierungspotential bei der Ausbringung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln durch moderne Techniken erschlossen und die Erfahrungen in die Praxis getragen werden.

Zu 5.
Streuobst und Grünland – Kulturgüter durch Nützen bewahren
Unzählige Nebenerwerbs- und Hobbylandwirte bewirtschaften und bewahren Streuobst, artenreiches Grünland und wertvolle Weinbergterrassen. Dieses Engagement und die dabei meist unter erschwerten Bedingungen ausgeführte Pflegearbeit müssen unterstützt werden.

Zu 6.
Flächenverbrauch – schrittweise einschränken
Durch die Ausweitung der Siedlungs- und Verkehrsfläche verschwinden in Baden-Württemberg täglich Lebensräume und Verbindungskorridore für Tier- und Pflanzenarten. Zur Reduktion des Flächenverbrauchs müssen auch Anreize zum flächensparenden Bauen geschaffen werden. Innerhalb und außerhalb der Landwirtschaft soll die Ressource Boden möglichst geschont werden.

Zu 7.
Ökolandbau – durch Nachfragesteigerung voranbringen
Baden-Württemberg gilt als Pionierland des Ökolandbaus. Seit Jahrzehnten steigt die Zahl der ÖkoBetriebe sowie die von ihnen bewirtschaftete Fläche. Der Ökomarkt bietet vielen Betrieben im Land eine höhere Wertschöpfung. Begrenzender Faktor des Wachstums ist vor allem die Nachfrage. Es muss eine Verbesserung der Erzeugungs-, Erfassungs- und Verarbeitungsstrukturen im Biobereich gemäß den Erfordernissen des Marktes gefördert werden.

Zu 8.
Ausbildung – Biodiversität in Lehrplänen
Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt sollten als gesamtgesellschaftliche Aufgabe in den Lehrplänen an allgemeinbildenden, fachbildenden und weiterführenden Bildungseinrichtungen aufgenommen werden. Voraussetzung dafür ist, dass eine grundlegende Artenkenntnis überhaupt vermittelt wird. Schulungs-, Werbe- und Marketingmaßnahmen zur Nachfragesteigerung nach regionalen Produkten sind zu verstärken. Ernährungszentren sind auszubauen, um die Bevölkerung über eine gesunde und regionale Ernährung aufzuklären. Regionalität und Saisonalität der Ernährung gehören in die Lehrpläne.

Zu 9.
Kulturlandschaftsrat – fachkompetent und unabhängig
Eine ganzheitliche Biodiversitätsstrategie bedarf auch einer gesamtgesellschaftlichen Befassung. Als übergreifende und treibende Kraft dafür ist ein Kulturlandschaftsrat einzurichten. Dieser bündelt die verschiedenen Interessen aus Umweltschutz, Landnutzung sowie Wirtschaft und die Erkenntnisse aus der Forschung. Zugleich nimmt er auch die Bevölkerung und den Handel in die Pflicht, aktiv zu werden. Der Kulturlandschaftsrat soll dem Landtag und der Landesregierung im Rahmen regelmäßiger Anhörungen berichten und beraten.

Zu 10.
Lebensmittelhandel – An Ladentheke werden Weichen gestellt
Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden über ihr Einkaufsverhalten, wie Landwirtschaft in BadenWürttemberg betrieben wird. Daher muss in der Bevölkerung das Bewusstsein für einen nachhaltigen und regionalen Lebensmittelkonsum geschaffen werden, der auch vom Lebensmitteleinzelhandel mitgetragen und unterstützt wird. Die Förderung der regionalen Vermarktung durch das Land muss weiterentwickelt werden